Gänsehaut-Flair, beim Gefangenenchor

Stimmgewaltige und prächtige Aufführung zieht 2000 Zuschauer an

Der Klosterhof Wiblingen war am Freitag Opernarena, Verdis „Nabucco“ ein Publikumsmagnet Satter Belcantoklang und Ausstattungspracht gab es beim Gastspiel aus Rumänien mit italienischen Gesangssolisten zu genießen. 2000 Zuhörer bejubelten den Gefangenenchor.

Bilderbuchwetter, säuselnd der kühle Wind und der Flügelschlag der Tauben über der Basilika, sternenklar der Nachthimmel. Glück für die Event-Macher und das hochgestimmte, applaudierfreudige Publikum im barocken Klosterhof Wiblingen, der den Ulmer Freilichtsommer um eine eindrucksvolle Spielstätte bereichert. „Petrus muss ein Verdi-Fan sein“, frohlockte Loretta Braschi, die Leiterin der rumänischen Gastspielproduktion. In Wiblingen gab die 100-köpfige Operntruppe des philharmonischen Orchesters und Chors aus Galati (Rumänien) zusammen mit Gesangssolisten aus Italien Verdis Freiheitsoper „Nabucco“. Ein Prachtschinken? Jedenfalls: starke Szenen, orientalischer Prunk, klanggewaltige Musikalität und viel Stimmglanz.

Giuseppe Verdi, bis heute der „Nationalkomponist“ Italiens, schuf Opern für Massen. Und es kamen (gut organisiert per Shuttle-Bus) 2000 Opernfans. „Als einziger seiner Zeit hat er Massen gefühlt und so seine ungeheueren Chöre geschrieben!“, lobt Franz Werfels Verdi-Roman. Klar, allen voran und populär wie ein Pop-Hit der Gefangenchor ,,Va, pensiero, sull' ali dorate!" – „Zieht, Gedanken, auf goldenen Flügeln“. Damit schrieb sich der 28-jährige Komponist den Schmerz von der Seele, hatte er doch innerhalb von zwei Jahren seine beiden Kinder und die Frau verloren. Nun, dieser von der gut 40-köpfigen Chorschar jetzt so ergreifend interpretierte Sehnsuchtsgesang der Gefangenen nach ihrer jüdischen Heimat ist das Herzstück von „Nabucco“, Verdis feurigem Bekenntnis zu Freiheit und Menschlichkeit. Seither gilt der Gefangenenchor als heimliche Nationalhymne Italiens.

Auch an imposanter 0ptik ließ es die „Nabucco" - Aufführung der rumänischen Truppe nicht fehlen.
FOTO: MATTHIAS KESSLER


Zunächst gehörig laut

Klangschwelgerisch ist „Nabucco“, aber durch massiven Einsatz des schweren Blechs (hervorragend die treffsichere Bläserriege) auch Verdis „lauteste“ Oper. Und alle Mitwirkenden taten mit Elan ihr Bestes, die Tontechnik allerdings zu viel davon: Aus den Verstärkerboxen gab es (samt störender Nebengeräusche) speziell für die vorderen Reihen im ersten Akt gehörig etwas auf die Ohren. Doch dann wurde zum Glück alles gut eingepegelt: Der fabelhafte Chor in seiner tragenden Rolle, die Sängersolisten und das erstklassige Orchester (mit feinen Soli) fanden unter der mitreißend inspirierten Leitung von Gheoghe Stanciu zu einer runden harmonischen Einheit, ungetrübt das Hörvergnügen und die Belcanto-Kultur, mal furios und hochdramatisch, mal in den lyrisch-beseelten Passagen zum Seufzen schön.

„Nabucco“ spielt im biblischen Zeitalter in Jerusalem und Babylon, wo das israelische Volk mit dem Hohepriester Zacharias (fabelhaft Pompeiu Harasteanus Bass-Tiefe) in Gefangenschaft gerät. Ein frühes „Nahostdrama“: Völker- und Glaubenskrieg auf dem Boden des heutigen Iraks - Stationen im Leben eines königlichen Herrschers, dessen Titelpartie Stefano Anselmi imposante Statur und baritonale Pracht verlieh. In dem Intrigenspiel um Macht und Liebe (zu Ismael: Cristiano Olivieri mit markigem Italo-Tenor) mischten Nabuccos echte Tochter Fenena (Roberta Mattellis Mezzo gefiel nur begrenzt) und seine vermeintliche Tochter, die perfide Abigail (nach Startschwächen eine Glanzrolle für die dramatische Koloratursopranistin Simona Baldolini), kräftig bis zur Läuterung im bittersüßen Ende mit.

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